Jemanden Geliebten gehen lassen zu müssen schmerzt, es schmerzt unbeschreiblich.
Dieser Mensch bedeutet mir unglaublich viel. Und es ist so unsagbar hart, was sie in den letzten Jahren durchgemacht hat.
Unsere Familie musste bereits viel Leid ertragen. Und das wurde zuletzt nicht besser. Aber das, was uns jetzt ereilt, traf uns trotz aller Vorgeschichte wie ein Vorschlaghammer.
Seit dem Tod meiner Mutter in 2007, baute sich zwischen meiner Oma (mütterlicherseits) und mir eine noch engere Beziehung auf als es bereits zuvor der Fall war. Selbst nach meinem Umzug nach Köln hielten wir den engsten Kontakt. Nicht viele persönliche Besuche waren wegen der Entfernung möglich, aber mindestens ein Mal wöchentlich brachten wir unsere Telefone zum Glühen. Wir redeten über alles was uns einfiel, beschäftigte, Lustiges und Ernstes, Späße und Probleme. Sie wurde nach meiner Mom meine engste Vertrauensperson in der Familie, was einfach so geschah und keinem der anderen Familienmitglieder gegenüber einen Abbruch tun sollte.
In 2011 wurde meine Oma dann erstmals schwer krank, Krebs hat sie umgehauen, aber sie kämpfte sich Dank der Hilfe der Familie durch und war krebsfrei. Bis vor 2 Jahren, als es richtig übel wurde und sie schon mehr tot als lebendig war. Aber selbst da kam sie mit härtestem Kampf wieder raus.
Ich werde ihren Blick nie vergessen, als wir zu ihrem 80. Geburtstag zur Überraschung auftauchten, meine Frau, mein Bruder und ich. All die Wochen davor sagte ich ihr, wir schaffen es nicht, war es doch mitten in der Woche und wir müssten arbeiten. Ihr Blick war dann aber einfach unbezahlbar.
Sie war nach dieser schweren Erkrankung aber nie mehr dieselbe. Die Krankheit hat sie stark verändert, sie war bei weitem nicht mehr so fit wie zuvor, als sie noch alles selbst machte und da in enormem Pensum für jemanden ihres Alters. Dennoch kämpfte sie weiter, trotz der starken Einschränkungen. Meine noch nahe meiner Oma lebende Familie kümmerte sich liebevoll um sie.
Dann vor etwa 3 Monaten begann meine Oma wieder etwas abzubauen. Sie wirkte niedergeschlagen, sie berichtete von Problemen mit dem Appetit. Sie fürchtete, etwas war nicht okay. Das bewahrheitete sich, als meine Tante und Cousine auf ein MRT durch die behandelnden Ärzte bestanden (ja, das wär eigentlich Aufgabe der Ärzte!). Es haben sich Metasen in Lunge und Leber gebildet und wer weiß wo noch. Kaum hatte sie das erfahren, stellte sie jeden Kampf ein. Innerhalb der letzten zwei Wochen baute sie so rasant ab, dass sie nun nur noch bettlägerig und unter Einfluss von Morphin auf das Ende wartet.
Es ist so schockierend, wie eine so starke Frau, die bereits so furchtbare Dinge erlebt hat (wie unsere ganze Familie), innerhalb so extrem kurzer Zeit so aufgibt und wir sie immer mehr gehen lassen müssen. Oma hat das Essen eingestellt, trinkt nur noch wenn man es ihr vor die Nase stellt, liegt im Bett und ist permanent müde. Kein Wunder.
Heute haben wir gerade mal 4 Minuten telefoniert, als meine ältere Cousine bei ihr war, um nach ihr zu sehen und sie umzulagern. Oma klang so müde, körperlich wie seelisch, stets den Tränen nah. Ich kann nicht bei ihr sein, sie ist zu weit weg und gerade muss ich mich um meine frisch operierte Frau kümmern. Ich sagte Oma noch mehrmals, dass wir sie unglaublich lieb haben und wir immer an sie denken. Ich wäre gerne bei ihr, wüsste aber zugleich nicht, ob ich dies aushalten könnte. Ich danke aber meiner Tante, meinen beiden Cousinen und meinem Vater, dass sie Oma auf ihrem letzten Weg begleiten und für sie da sind.
Einen Menschen so leiden zu sehen, zu spüren wie sie die letzte Kraft verliert und aufgibt, schmerzt mich im tiefsten Herzen. Dass sie zu ihrem Lebensende so leiden muss, lässt mich an allem Guten des Schicksals, Karmas, Gottglauben oder was es sonst geben mag, zutiefst zweifeln.
Ich bin einfach nur extrem traurig und wünsche meiner Oma, dass sie endlich Frieden findet und mit meinem Opa, meiner Mutter und meinem Onkel wieder vereint ist. Und dass sie ohne Schmerzen einschläft.
(Foto vom 16.3.2017 an ihrem 80. Geburtstag)
19.07.2018:
Du wirst mir unendlich fehlen. Aber du hast so lange leiden müssen und das hattest du nicht verdient.
Jetzt bist du friedlich eingeschlafen. Am selben Tag wie dein geliebter Mann vor 24 Jahren.
Ich hab dich unendlich lieb. Ruhe in Frieden, Oma.
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