Am 08.03.2005, also vor genau 20 Jahren, hatte ich die für mich wichtigste Operation meines bisherigen Lebens. Der Eingriff, der mein restliches Leben beeinflusst und mir mein heutiges Selbstbewusstsein maßgeblich mit beschert hat.
Nach jahrelangem Kampf mit Krankenkasse, Gutachtern, meinem Umfeld aber vor allem mit mir selbst konnte ich am 07.03.2005 im St. Joseph Hospital in Troisdorf einchecken um tags darauf meine Mastektomie vornehmen zu lassen. Also die beidseitige Amputation der Brüste und plastische Angleichung einer männlichen Brust.
Jahrelang hatte ich mir schmerzhaft die vorher vorhandenen Brüste abgebunden. Erst mit Bandagen oder Tape, dann mit umgenähten Miederhosen Marke Eigenbau, dazu kaschiert durch mehrere Lagen zu großer Klamotten.
Nur um nach außen auch als die Person gelesen zu werden, die ich schon immer war. Und auch um mir mein eigenes Antlitz zumindest im angezogenen Zustand erträglich zu machen.
Tatsächlich war die zuvor anatomisch sehr deutliche weibliche Brust nicht nur optisch störend, sie sorgte seit Beginn ihrer Ausbildung für Heulkrämpfe, Hassgefühle, Depressionen. Natürlich war sie nicht allein das Problem, aber das nach außen markanteste und für andere auch trotz Hormontherapie und daraus folgender tieferer Stimme, verändertem Körperbau in Form von Muskelaufbau und Fettumverteilung nicht “verschwundene” Überbleibsel eines ungeliebten Körpers.
Wie die OP verlief und was da so alles passierte, kannst du in einem anderen Bereich hier nachlesen.
Was veränderte dieser Eingriff nun für mich? Kurz gesagt: alles!
Ein Beispiel: Nachdem die knapp 2 kg meinen Körper verlassen hatten und alles verheilt war, trat ich den Gang ins Freibad an. Der Sommer 2005 war pure Befreiung! Das erste Mal den Wind und gar das Wasser am nackten Oberkörper vorbei fließen spüren, der früher immer durch Badeanzüge und später zusätzlich T-Shirts im Wasser verdeckt war. Ein unfassbares, unbeschreibliches Gefühl! Dazu die ungläubigen Blicke der Zweifler, die immer von “einer Phase”, “pubertärer Spinnerei” oder auch einfach “geisteskranker Spinnerin” faselten… unbezahlbar! Kein Verstecken mehr!
Aber neben der Befreiung nach außen war es die Bestätigung, alles richtig gemacht zu haben. Es dauerte bis ich die jahrelang antrainierte, Brust versteckende krumme Rückenhaltung abtrainiert hatte. Im wahrsten Sinne mit ausgestreckter Brust herum zu laufen, mit geradem Rücken und dem Selbstbewusstsein eines jungen Mannes, ein weiteres unglaubliches Gefühl. Ich traute mir mehr zu, andere begegneten mir anders, mehr auf Augenhöhe. Vermutlich weil ich das nun (meist) war, durch bessere Körperhaltung als auch dem Gefühl des Erfolgs über das System, gesellschaftliche Repression bis Abscheu und die eigenen Zweifel über das Leben und dessen Sinn.
Das klingt alles recht groß und all umfassend. Und verdammt, ja das war es auch!
Die 3 Jahre vom offiziellen Coming Out bis zu diesem Tag der OP waren geprägt von Angst, Scham, Schmerz, Verzweiflung, Ungeduld, Zweifel dies durchzustehen. Zahlreiche Termine bei 2 Gutachtern, Amtsgericht, Ärzten, Krankenkasse, dazu die ständigen Rechtfertigungen für das eigene Leben im gesamten Lebensumfeld. Eine verdammt harte Zeit war das.
Würde ich heute irgendetwas anders machen?
Nun bei allem was ich an meinem Weg getan hatte absolut nichts! Vieles konnte ich nicht beeinflussen.
Habe ich all das jemals bereut? Niemals!
Ich lebe heute als der Kerl, der ich sein möchte, mit allen Konsequenzen und eben meiner Geschichte, die ihr hier ja nachlesen könnt.
Ich feiere heute meinen 20. Geburtstag. So sehe ich das jedenfalls. Und damit lebe ich nun länger in diesem zu mir gehörenden Körper als ich in dem vorherigen gelebt hatte. Den ganzen Kampf, die Tränen waren es absolut wert.
Happy Birthday to me! 😁🎉
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