Meine lieben Leser*innen,
heute vor genau 18 Jahren - sogar fast auf die Minute genau - hatte ich eine Operation, welche mir mein neues Leben um so vieles erleichtert hat. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich feiere sozusagen meinen 18. Geburtstag, denn an diesem Tag im Jahr 2005 hatte ich meine Mastektomie. Oder auf gut Deutsch gesagt: die Amputation und äußerliche Angleichung meiner Brust.
Ja, genau am Weltfrauentag wurde mir ein deutliches Symbol von Weiblichkeit abgenommen. Für mich einer der glücklichsten Tage meines Lebens.
Dies war, neben dem Erhalt der Hormontherapie, mein wichtigster Schritt hin zu meinem wahren Ich. Die äußere Angleichung an das, was ich innerlich schon so lange Zeit fühlte.
Und es war ein verdammt langer Weg, bis ich diese Operation im St. Josef-Hospital in Troidsorf hatte.
Zum Einen musste ich gut zwei Jahre Rede und Antwort vor mir fremden Menschen - voneinander unabhängige Gutachter - stehen. Diese gaben dann ihr Okay für die rechtliche und körperliche Angleichung an das gefühlte Geschlecht. So wurde es damals zumindest genannt. Das alles unter dem rechtlichen Schutz des Transsexuellengesetzes, welches seitdem auch vielmals durch den Europäischen Gerichtshof korrigiert und diverse Paragraphen als ungültig erklärt hatte.
Am 4. Juni 2004 durfte ich dann endlich mit meiner Hormontherapie starten. Vorgabe war, dass ich die Spritzen einige Monate nehmen musste, bis ich die 1. Operation - in meinem Fall eben die Mastektomie - vornehmen lassen durfte. Immerhin veränderte die Gabe von Geschlechtshormonen auch die körperliche Konstitution u.a. in Bezug auf Muskelaufbau und Fettverteilung.
Im Januar 2005 hatte ich dann diverse Informationsgespräche bei verschiedenen Operateuren, wobei mir dann Dr. Kampmann und das St. Josef-Hospital in Troisdorf am meisten zusagte. Und da landete ich dann auch am 7. März 2005 zur Aufnahme.
Wie das damals alles war, findest du auch hier auf der Webseite unter "Mastektomie".
Nach jetzt genau 18 Jahren hat sich enorm viel getan. Rein äußerlich sieht man mir im Alltag nichts mehr von meinem früheren Leben an. Und das ist auch gut so. Es sorgt sogar ein ums andere Mal für ungläubige Blicke, wenn das Gespräch auf mein altes Leben kommt und nicht selten hält das Gegenüber es auch für einen Scherz.
Ich sehe es als Kompliment und leiste gern Aufklärungsarbeit, selbst wenn mein Coming Out anfangs für Erheiterung oder Unglaube sorgt.
Und eben jene Aufklärungsarbeit ist heute noch genauso wichtig wie vor 20 und mehr Jahren. Gerade wenn man den weltweiten Backlash/die Rückschritte bezogen auf unsere Menschenrechte sieht.
Aktuellstes Beispiel findet sich in den USA, in denen gerade Bundesstaat für Bundesstaat u.a. die medizinische Behandlung von Trans* Personen verboten wird. Oder auch Eltern/Familienangehörige von Trans* Jugendlichen unter Strafe gestellt wird, diese zu unterstützen und die notwendige Behandlung zukommen zu lassen und gar mit Wegnahme des Kindes unter Inobhutnahme durch den Staat gedroht wird. Um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen. Das macht mich wütend, es macht Angst und sorgt für völliges Unverständnis meinerseits. Menschen wie mir wird in einem der - vermeintlich - fortschrittlichsten Länder der Welt lebensnotwendige Behandlung verweigert und der Umgang mit ihnen unter Strafe gestellt! Wir haben das Jahr 2023! Und noch immer kapieren rechtsgewandte, "konservative" Idioten nicht, dass wir nur so leben möchten, wie wir uns fühlen. Rein zur eigenen Selbstzufriedenheit, zum Selbstempfinden und Leben der eigenen Identität OHNE Schädigung eines anderen. Und das alles unter dem Deckmantel des vermeintlichen Kinderschutzes. Was für eine Farce!
Ich lebe zu allergrößten Teilen meines Lebens "stealth", soll heißen, ich habe kaum Anlässe, an denen ich von meinem früheren Leben erzählen muss. Selbst die Narben an der Brust, die nach den vielen Jahren sehr verblasst sind, sorgen selten für Blicke im Schwimmbad oder ähnlichem.
Ausnahmen sind durchaus gegeben, so zum Beispiel bei Arztbesuchen, wenn es sich eben so rein gar nicht vermeiden lässt. Aber ich habe nach wie vor, auch nach all den Jahren, kein Problem damit. Ich stehe dazu, es gehört zu meinem Leben und hat mich lange Jahre begleitet.
Ich hatte unzählige Gespräche mit Menschen, denen ich die Thematik aus verschiedenen Gründen näherbringen konnte. Sei es in Beratungsgesprächen auf CSDs, im privaten Bereich, im Job, online,... Aufklärung ist nach wie vor zwingend und dringend notwendig!
Alles in allem ist mein Leben seit damals deutlich besser, besonders bezogen auf die Zufriedenheit mit mir selbst. Das zuvor nicht vorhandene Selbstbewusstsein hielt Einzug in den Alltag, ich stehe für meine Liebsten und mich ein und bin kein "Duckmäuschen" mehr wie es vor meiner Selbstfindung war. All das zeigt sehr deutlich, wie dringend und notwendig dieser beschwerliche Weg war. Mein (damaliges) Umfeld und ich sind uns sicher, ohne diese Möglichkeit wäre ich heute nicht mehr hier.
Ich feiere für mich vor allem den 4. Juni als auch den heutigen 8. März als meine 2. Geburtstage, denn diese Tage markieren die wichtigsten auf dem Weg zu mir selbst.
Daher stoße ich mit euch allen einfach mal darauf an. 18 Jahre - Endlich volljährig!
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